„Der Willmuss“

Im Rahmen meiner frühen therapeutischen Tätigkeit fiel mir auf, wie häufig Menschen sich selbst mit der Aussage „Ich muss …“ unter Druck setzen. In solchen Situationen macht es hier Sinn, die Absolutheit dieser Formulierungen zu hinterfragen. Und die Formulierung teilweise mit „Ich will“ oder „Ich möchte“ zu ersetzen. Allerdings stieß ich – sowohl im Außen als auch bei mir – auf Dinge, die einem intensiven inneren Drang entspringen. Eine Art Müssen, die intern motiviert ist. Um diese Form von dem belastenden „Ich muss“ zu unterscheiden, begann ich manchmal mit einem Augenzwinkern zu sagen: „Der Willmuss ist das einzige Müssen, das hier Raum hat.“ Dadurch entwickelte sich bei mir nach und nach „Der Willmuss“. Eine kleine innere Instanz aus der Familie der Impulse, die das Wollen und das Müssen auf potentialsträchtigste Weise miteinander vereint. Ein Wollen, das so intensiv und definierend geworden ist, dass es zur Notwendigkeit geworden ist. Aber nicht als Belastung, sondern als Motivation.

So entstand der Willmuss. Aus dem Willmuss entwickelte sich ein ganzer Komplex aus „Impulsen“, die schließlich in einer kleinen Geschichte Ausdruck fand. Diese Geschichte wartet jetzt in meiner Schublade auf den Moment, dar sie endlich zu einem kleinen, illustrierten „Therapiebüchlein“ wird. Nach dem Vorbild von „Der Seelenvogel“ oder „Mein schwarzer Hund„.

Und da ich fürchte, dass die Geschichte noch ein bisschen warten muss, möchte ich die „Impulse“ in diesem Rahmen schon mal mit ihren aktuellen Illustrationen ein bisschen vorstellen:

Der Brauche

„Er schlüpfte aus dem ersten Schrei des Säuglings, geboren aus dem drängenden Wunsch zu leben. Mit tränenfeuchten, großen Knopfaugen blickt er aus seinem pummligen Körper hinaus in die Welt. Seine Pauspacken und sein bunten, lockiges Fell lassen ihn gar niedlich und bedürftig erscheinen, sodass man ihm gerne etwas Gutes tut. Öffnet er jedoch seinen kleinen Schmollmund, so entschlüpft ihm ein Brüllen. Ein Brüllen, dass drängend und ungeduldig ist und direkt. Und nährt sich ihm das Begehrte, dann greift sein dreigliedriger Schweif danach
und lässt es nimmer mehr gehen.“ 

Der Will

Der Wollen erwuchs aus der ersten Begierde. Die stechenden Augen über seiner schmalen Schnauze brennen vor Verlangen und die scharfen Krallen seines schlanken, sechsfüßigen Leibes sind bereit für den Kampf. Sein spitzer Schrei geht durch Mark und Bein. Er klingt fordernd und ist gespeist con der unbändigen Sorge, zu kurz zu kommen. Dieser Schrei erinnert an einen Angriff. Dieser Impuls ist stets bereit, seine hohen Ziele zu erreichen.

Der Sollte

Auch gibt es den Sollte. Sein träger, dicker Körper behindert jede Bewegung und seine müden Augen blicken traurig in die Welt. Sein Rufen klingt stets wie ein erstickter Seufzer und wann immer er ihn tut, scheinen die harten Hornplatten auf seinem Rücken schwerer zu werden. Geboren ward er durch die äußeren Moralien, die seine vier hängenden Ohren gar gut entfangen und halten.

Der Kann

„Die langen, sensiblen Schnurrhaare des Kann sind gar trefflich, um seine Nische zu finden. Und die kräftigen Beine seines muskulösen Körpers tragen ihn überall hin. Geboren ward dieser Impuls aus dem ersten Trotz. Er ist in jeder seiner Bewegungen stolz und kontrolliert. Er ist der Bruder des Wollen und gemeinsam können sie die Feuer des Trotzes entzünden und die Welt neu erschaffen. Doch zu welchem Preis?“

Der Wünschte

„Der Wunsch ist ein sanfter, gar unscheinbarer Impuls. Seine Augen sind zumeist geschlossen und seine Schnurrhaare vibrieren zu einer unhörbaren Melodie. Er ist geboren aus der reinen Demut und ist stets zurückhaltend, brav und vertrauensvoll. Er kuschelt sich gerne hinein in sein weiches, flauschiges Fell aus weiß-silbriger Wolle. Seine kurzen Beine tragen ihn nicht. Und will er sich bewegen, so öffnet er seine tiefen, traurigen Augen. Aus ihnen spricht eine so tiefe und rührende Sehnsucht, dass er getragen wird wo immer er hin will.“

Der Muss

Der Muss entstand aus den ersten Regeln und Pflichten des Menschen. Regeln, die vom Außen herangereicht wurden an des Herzens Landschaft. Seine langen, schwarzen Haare fließen wie Teer über den Boden und machen jede Bewegung schwer. Seine schlaffen Ohren hängen schlapp hinunter und hören doch jedes auferlegte Wort. Dieser Impuls ist gar kräftig und trotz seines schweren Fells vermag er sich unerbittlich voran zu quälen. Was bleibt ihm auch? Denn seine vom filzigen Fell verborgenen Beine haben keine Knie und so kann er sich keine Pause gönnen. Zugleich ist dieser Impuls stets am Plappern und am Murmeln und ist nicht einen Augenblick lang still. Es ist ermüdend ihm zu lauschen. Denn er ist der Lauteste von allen und sein gemurmelter Schrei ist treibend und drängend.

Der Darf

„Der Darf ist ein gar misstrauischer und scheuer Impuls. Seine großen, runden Ohren und die scharfen Knopfaugen eigenen gar trefflich, um Dinge von Außen wahr zu nehmen. Seine zierlichen Pfötchen sind hervorragend dafür, sich vorsichtig voran zu tasten. Und jegliche Bewegung, die er tut, tut er ausnahmslos mit der Erlaubnis anderer.“

Der Willmuss

Der Willmuss ist ein gar possierliches Tierchen. Sein warmes Fell ist so weich wie Wattewolken und trägt auf dem Rücken ein lächelndes Gesicht als Muster. Das Fell ist dicht genug, um den Willmuss zu schützen und weich genug, dass man ihm etwas Gutes tun möchte. Sein rundlicher Kopf beherbergt neugierige Knopfaugen, eine Stupsnase und einen Mund, der ein ansteckendes Lächeln zu tragen scheint. Sein schnurrendes Maunzen ist nicht fordernd noch drängend, aber fest entschlossen in sich. Seine runden Ohren hören nur Gutes und wandeln jedes böses Wort in verdecktes Wohlwollen. Sein kuschliger Körper verbirgt eine immense Kraft und seine tappsigen Pranken verfügen über eine erstaunliche Anmut. Geboren ward dieser Impuls aus der Reinheit des Seins. Aus dem Gefühl von Richtigkeit und Entwicklung. Und alles an diesem Impuls spricht von einem untrüglichen Vertrauen in das Gute in der Welt.


Und hier das vollständige Manuskript über den Willmuss und die Impulse:

Der Willmuss

Tief in uns Menschen, auf den geheimen Landschaften unserer Herzen, leben die Impulse. Diese Impulse prägen unsere Denkmuster und Motivationen. Und formen dadurch unser Leben.

Einer dieser Impulse ist der Brauche. Er schlüpfte aus dem ersten Schrei des Säuglings, geboren aus dem drängenden Wunsch zu leben. Mit tränenfeuchten, großen Knopfaugen blickt er aus seinem pummligen Körper hinaus in die Welt. Seine Pauspacken und sein bunten, lockiges Fell lassen ihn gar niedlich und bedürftig erscheinen, sodass man ihm gerne etwas Gutes tut. Öffnet er jedoch seinen kleinen Schmollmund, so entschlüpft ihm ein Brüllen. Ein Brüllen, dass drängend und ungeduldig ist und direkt. Und nährt sich ihm das Begehrte, dann greift sein dreigliedriger Schweif danach und lässt es nimmer mehr gehen.

Der Wollen erwuchs aus der ersten Begierde. Die stechenden Augen über seiner schmalen Schnauze brennen vor Verlangen und die scharfen Krallen seines schlanken, sechsfüßigen Leibes sind bereit für den Kampf. Sein spitzer Schrei geht durch Mark und Bein. Er klingt fordernd und ist gespeist von der unbändigen Sorge, zu kurz zu kommen. Dieser Schrei erinnert an einen Angriff. Dieser Impuls ist stets bereit, seine hohen Ziele zu erreichen.

Auch gibt es den Sollte. Sein träger, dicker Körper behindert jede Bewegung und seine müden Augen blicken traurig in die Welt. Sein Rufen klingt stets wie ein erstickter Seufzer und wann immer er ihn tut, scheinen die harten Hornplatten auf seinem Rücken schwerer zu werden. Geboren ward er durch die äußeren Moralien, die seine vier hängenden Ohren gar gut entfangen und halten.

Die langen, sensiblen Schnurrhaare des Kann sind gar trefflich, um seine Nische zu finden. Und die kräftigen Beine seines muskulösen Körpers tragen ihn überall hin. Geboren ward dieser Impuls aus dem ersten Trotz. Er ist in jeder seiner Bewegungen stolz und kontrolliert. Er ist der Bruder des Wollen und gemeinsam können sie die Feuer des Trotzes entzünden und die Welt neu erschaffen. Doch zu welchem Preis?

Der Wunsch ist ein sanfter, gar unscheinbarer Impuls. Seine Augen sind zumeist geschlossen und seine Schnurrhaare vibrieren zu einer unhörbaren Melodie. Er ist geboren aus der reinen Demut und ist stets zurückhaltend, brav und vertrauensvoll. Er kuschelt sich gerne hinein in sein weiches, flauschiges Fell aus weiß-silbriger Wolle. Seine kurzen Beine tragen ihn nicht. Und will er sich bewegen, so öffnet er seine tiefen, traurigen Augen. Aus ihnen spricht eine so tiefe und rührende Sehnsucht, dass er getragen wird wo immer er hin will.

Der Muss entstand aus den ersten Regeln und Pflichten des Menschen. Regeln, die vom Außen herangereicht wurden an des Herzens Landschaft. Seine langen, schwarzen Haare fließen wie Teer über den Boden und machen jede Bewegung schwer. Seine schlaffen Ohren hängen schlapp hinunter und hören doch jedes auferlegte Wort. Dieser Impuls ist gar kräftig und trotz seines schweren Fells vermag er sich unerbittlich voran zu quälen. Was bleibt ihm auch? Denn seine vom filzigen Fell verborgenen Beine haben keine Knie und so kann er sich keine Pause gönnen. Zugleich ist dieser Impuls stets am Plappern und am Murmeln und ist nicht einen Augenblick lang still. Es ist ermüdend ihm zu lauschen. Denn er ist der Lauteste von allen und sein gemurmelter Schrei ist treibend und drängend.

Der Darf ist ein gar misstrauischer und scheuer Impuls. Seine großen, runden Ohren und die scharfen Knopfaugen eigenen gar trefflich, um Dinge von Außen wahr zu nehmen. Seine zierlichen Pfötchen sind hervorragend dafür, sich vorsichtig voran zu tasten. Und jegliche Bewegung, die er tut, tut er ausnahmslos mit der Erlaubnis anderer.

Das sind unsere Impulse. Geboren aus Mangel und Angst. Sie haben ihre Stärken, die uns durch das Leben tragen. Und sie haben ihre Schwächen, die uns bedrücken und binden. Der letzte Impuls, von dem ich erzählen werde, ist der Willmuss.

Der Willmuss ist ein gar possierliches Tierchen. Sein warmes Fell ist so weich wie Wattewolken und trägt auf dem Rücken ein lächelndes Gesicht als Muster. Das Fell ist dicht genug, um den Willmuss zu schützen und weich genug, dass man ihm etwas Gutes tun möchte. Sein rundlicher Kopf beherbergt neugierige Knopfaugen, eine Stupsnase und einen Mund, der ein ansteckendes Lächeln zu tragen scheint. Sein schnurrendes Maunzen ist nicht fordernd noch drängend, aber fest entschlossen in sich. Seine runden Ohren hören nur Gutes und wandeln jedes böses Wort in verdecktes Wohlwollen. Sein kuschliger Körper verbirgt eine immense Kraft und seine tappsigen Pranken verfügen über eine erstaunliche Anmut. Geboren ward dieser Impuls aus der Reinheit des Seins. Aus dem Gefühl von Richtigkeit und Entwicklung. Und alles an diesem Impuls spricht von einem untrüglichen Vertrauen in das Gute in der Welt.

Der Willmuss ist nicht laut doch unüberhörbar. Und wenn er spricht, werden die anderen Impulse still. Folgst du dem Willmuss und hörst ihm gut zu, so wird er dich tragen, wohin du gehörst. Denn er ist reiner als der Will und selbstbestimmter als der Muss. Er setzt Ziele ohne Mangel, Angst und Wut. Und er gibt dir, was immer du brauchst, um glücklich zu sein. Wann immer du also den Willmuss hörst, lausche ihm wohl. Und lass dich führen, wo dein Glück dich trifft.

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